Øystein Baadsvik:
Tuba - das leichte Instrument

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Originalfassung in englischer Sprache.
Deutsche Fassung von Gerald Jakubus mit freundlicher Genehmigung von Øystein Baadsvik.

Ein Widerspruch in sich selbst? Ja und nein, würde ich sagen: Natürlich sprechen wir über das schwerste Instrument in einem Orchester, aber es gibt einen gewaltigen Unterschied zwischen schwergewichtigem und schwerfälligem Musizieren.

Verglichen mit einem Konzertflügel ist eine Tuba etwa 30 Mal leichter. Niemand würde erwarten, dass der Konzertflügel schwer oder schwerfällig klingt, nur weil er so viel wiegt. Woran liegt es also, dass die Tuba oft unbeholfen und groß klingt? Leider an dem, der hinter dem Mundstück sitzt, also am Tubisten selbst. Die meisten, modernen Tuben sind heute qualitativ so gut, dass sie lediglich verstärken, was immer an Klang der Tubist hineingibt
Machen wir uns nichts vor: Die Ventile einer Tuba sind heute genauso schnell wie die einer Trompete, sie sollten dem Tubisten also ermöglichen, genauso schwierige Passagen spielen zu können wie der Trompeter. Mit ihren vier(!) Oktaven verfügt die Tuba sowohl über den größten Tonumfang als auch über die größte Dynamik aller Blechblasinstrumente. Etwas Schönes, Gesangliches auf einer Tuba zu spielen ist also nicht schwieriger (aber auch nicht einfacher) als auf einer Klarinette oder auf einem Cello.
Trotzdem ist der Tubist sehr oft derjenige im Orchester, dessen technische Fertigkeiten auf dem eigenen Instrument meist am schlechtesten entwickelt sind. Da hilft es ihm auch nicht, dass er in Puncto Geselligkeit oft am besten entwickelt ist!

Sind Tubisten faul?
Warum ist das so? Sind Tubisten fauler als andere Musiker? Haben sie eine Art genetische Angst vor Sechzehntel-Noten? Glauben sie wirklich, dass es unmöglich ist, auch etwas anderes zu spielen als nur umpah-umpah?
Nein, ich glaube nicht, dass es einen Unterschied gibt zwischen der Einstellung eines Klarinettisten und der eines Tubisten. Beide versuchen nur, das abzuliefern, was von ihnen erwartet wird. Und in dem, was von ihnen erwartet wird, liegt der Unterschied. Von einem Tubisten erwartet man in der Regel nichts anderes als lange Noten, einfache Basslinien und ab und zu ein bombastisches Bass-Solo.
Stark übertrieben ist das, könnte man sagen, die moderne Blasmusik enthält doch heute eine Fülle von Herausforderungen gerade auch für die Tuba. Richtig, wir finden vermehrt „funky“ Basslinien und vertrackte Rhythmen in den modernen Kompositionen.
Ich aber bin auf der Suche nach dem Einsatz der Tuba als sensibles und ausdrucksstarkes Solo-Instrument in der Musik.
Ich verlange nicht, dass jedes Stück ein Tuba-Solo enthalten muss, aber wenn wir uns beispielsweise in der Brassband-Literatur umsehen, dann finden wir immer mehr Tuba-Melodien, Läufe mit Sechzehntel-Noten und sogar Kompositionen für reine Tuba-Quartette. Dort nutzen die Komponisten das Potenzial der Tuba sehr viel stärker, was sich meistens für sie auch musikalisch auszahlt.
In den Blasorchestern gibt es einen Teufelskreis: Da niemand anspruchsvolle Passagen für die Tuba schreibt, haben es die Tubisten überhaupt nicht nötig, sich technisch und musikalisch weiter zu entwickeln. Folglich gibt es noch mehr schwerfälliges Tubaspiel. Und nur sehr wenige Komponisten wagen es, musikalisch anspruchsvolle Stücke zu schreiben, da sie wissen, dass sie selten gut klingen würden (was schlecht wäre für ihr Geschäft…).

Mit einem Porsche fährst du auch nicht nur 30 km/h...
Endlos ist die Diskussion darüber, was zuerst da war: das Huhn oder das Ei. Aber ich glaube, allen Beteiligten, Komponisten, Dirigenten, Tubisten, Musikern und dem Publikum sollte eine Pause in dieser Frage gestattet sein.
Tubisten haben fast immer ein größeres Potenzial als der Dirigent anzunehmen neigt. Da der Tubist nur relativ wenige Noten hat, um die er sich kümmern muss, sollte er eine gute Chance haben, sie richtig zu spielen, mit den richtigen Griffen (!), der richtigen Dynamik, der richtigen Artikulation und im richtigen Rhythmus! Eigentlich soll es genauer und feinfühliger klingen als die technisch schwierigeren, melodischen Teile!
Die Dirigenten sollten verlangen, dass Tubisten ihren Part mindestens ebenso gut bewältigen wie die Musiker an den anderen Instrumenten. Alles andere ist mangelnder Respekt gegenüber den Musikern. Natürlich müssen wir Tubisten hierbei selbst die größte Verantwortung übernehmen und anfangen, etwas Anderes zu spielen als Auszüge aus klassischen Orchesterwerken.
Wenn du einen Porsche hast, fährst du auch nicht nur mit 30 km/h durch die Gegend, oder? Eigentlich ist es eine unerträgliche Zeit- und Geldverschwendung, in der letzten Reihe des Orchesters herumzusitzen mit dem teuersten und glänzendsten Instrument und nur umpah-umpah zu machen, wenn es doch so viel Anderes zu spielen gibt!

Die Macht der Motivation
Jeder braucht Motivation zum Üben. Andererseits gibt es viele verschiedene Beweggründe. Ich weiß von einem Musiker, der von seinen Eltern täglich so lange in seinem Zimmer eingesperrt wurde, bis er zwei Stunden geübt hatte.
Ich persönlich empfehle eine etwas fröhlichere Variante! Alle erfolgreichen Musiker, die ich kenne, haben viel geübt, und um das durchhalten zu können, braucht man Anerkennung und Belohnung. Da alles Üben stets viel langweilige Routinen enthält, ist es wichtig zu verstehen, dass Erfolg das Resultat ist sowohl von diszipliniertem Drill als auch vom freien Herumspielen.
Am Anfang ist es wichtig, ein positives und spielerisches Verhältnis zum Instrument zu entwickeln. Um dies zu unterstreichen, erzähle ich kurz von mir. Ich war 15 Jahre alt, als ich regelmäßig zu üben begann. Auf einer Langspielplatte hatte ich Michael Lind's "Karneval in Venedig" gehört und wollte lernen, wie man dieses Stück spielt. Jeder gab mir einen „guten Rat“ und sagte, du musst erst mal krabbeln können, bevor du gehen lernen kannst, sprich: spiele erst mal ein Jahr lang Etüden und Tonleitern, bevor du auch nur daran denken kannst, dir zum ersten Mal die Noten vom Karneval anzusehen. Klingt logisch. Wie sollte ich, der gerade mal ein Jahr lang Tuba gespielt hatte, auch nur die geringste Chance haben, dieses technisch super-schwierige Stück richtig spielen zu können?
Für mich hatte das Eine nichts mit dem Anderen zu tun. Mir machte es großen Spaß, dieses Stück zu spielen, es war meine Tuba und es waren meine Noten. Darum geht es, nur darum geht es!
Natürlich war ich weit davon entfernt, auch nur die Hälfte der Noten richtig zu spielen, und mein Tempo war auch viel zu langsam, aber dieser spielerische Umgang mit der Musik war wahrscheinlich meine größte Energiequelle, damals und später.
Mein Lehrer musste mich mit unterschiedlichen Arten von Etüden und Tonleitern versorgen, um mir zu helfen, die verschiedenen Teile des Stücks zu bewältigen, und weil mir das sehr viel Spaß gemacht hatte, hatte ich enorm viel Motivation, methodisch zu üben.
Ich bin der festen Überzeugung, dass man die Dinge in der richtigen Reihenfolge machen muss. Erst die Herausforderung, dann die Lösung, nicht umgekehrt. Es geht hier nicht um Mangel an Respekt gegenüber dem Lehrer, sondern es geht darum, dass die so wichtige gute Beziehung zu Deinem Instrument und zu deiner Musik etwas sehr Persönliches ist, das Andere respektieren und fördern sollten. Im Orchester musst du natürlich deinem Dirigenten folgen!

Ideen für spielfreudige Tubisten
Hast du schon einmal versucht, auf der Tuba zu „trommeln“? Für mich begann es, als mein Lehrer mich aufforderte, Doppelzunge im sehr tiefen Register zu spielen.
Wie machst du das: Spiel die Doppelzunge („tuku tuku“) mit locker aufeinander liegenden Lippen. Verwende hohen Druck auf die Luft und versuche, nur eine Vibration (einen „Smack“) pro Luftstoß zu machen. Ventile brauchen wir nicht hierbei. Wenn dir dabei ein Hubschrauber ähnlicher Sound gelingt, kannst du experimentieren, indem du einige  „Smacks“ mit weiteren Akzenten versiehst. Dann versuchst du, einige dieser Akzente durch normale Tubatöne zu ersetzen. Vielleicht sogar durch „Multiphonics“ (Mehrfachklänge). Das Wichtigste ist, dass du den Doppelzungen-Rhythmus kontinuierlich weiterspielst, egal was du tust. Schlag mit der flachen Hand leicht auf die Tuba, z.B. gerade Viertel, und du hast ein gesamtes Orchester in deiner Tuba!
Weitere ungewöhnliche Sound-Effekten gefällig? Dann versuch doch mal, mit einem Bariton-Saxofon-Mundstück auf der Tuba zu spielen.
Warum nicht mal ein Mikrofon anstecken und elektronische Gitarreneffekte erzeugen? Mit Echo, Flanger, Verzerrung oder Chor gelangst du mit Sicherheit in eine neue Dimension!
Warum schnappst du dir nicht mal ein „Portable Studio“? Mit diesem preisgünstigen Aufnahme-Gerät kannst du mehrere Tonspuren übereinander aufzunehmen. Ein Tuba-Quartett aufzunehmen, in dem du alle vier Hauptrollen selbst spielst, macht wirklich Spaß und ist extrem hilfreich, sich weiter zu entwickeln. Nichts offenbart Präzision und Intonation effizienter. Es gibt keinen Anderen zu kritisieren oder zu loben, wenn es großartig klingt.
Hab keine Angst, dass du Zeit „verschwendest“ mit dem, was du gern mit der Tuba machen möchtest. Egal, ob du dich an Vivaldis Violinkonzerten versuchst oder an Led Zeppelin’s verzerrten Gitarrenriffs, es wird dir definitiv helfen, dein Instrument besser kennen zu lernen und zu verstehen. Und das ist das Hauptthema in jeder Auftrittssituation.

Also: Wenn Du wirklich ein besserer Musiker werden willst, dann musst du mit deinem Instrument spielen und nicht nur auf ihm. Und auch das macht Spaß…